Die 4 Fresstypen

Appetitgrenze beim Pferd

Kennst du die 4 Fresstypen?

In meiner täglichen Arbeit bin ich mit den verschiedensten Pferdetypen konfrontiert. Bei genauer Beobachtung zeigt sich welche Vorlieben das jeweilige Pferd bei seiner Nahrungsaufnahme hat. Der eine möchte stundenlang bei seinem Heuhaufen stehen und sich nicht stören lassen und der andere vergisst quasi auf sein Heu.

Wieso du dich überhaupt mit dem Fressverhalten deines Pferdes beschäftigen solltest?

Nun – wenn du weißt wie es tickt und welche Bedürfnisse es hat, wird Fütterung ziemlich einfach und das Horsi glücklich und zufrieden. Mit der Appetitgrenze weißt du zudem wieviel Raufutter es fressen möchte und wie du mit der Energie umgehen musst. Und an Hand meiner Fresstypen ergibt sich recht schnell ein Muster an Gewohnheiten und Bedürfnissen. Zum Leidwesen vieler Besitzer stimmen die Fressgewohnheiten mit dem Verbrauch durch Bewegung nicht überein. Das Ergebnis – viele Pferde sind schlicht zu dick, grantig oder unrittig und man hat das Gefühl, dass man ihm nicht gerecht wird. Aber das muss nicht so sein!

Kurz notiert:

  • Raufutter
  • Energie
  • Gewohnheiten
  • Bedürfnisse
  • Bewegung

Es ist grundsätzlich einfach erklärt. Das Pferd als Dauerfuttersucher möchte 12 bis 16 Stunden am Tag Futter suchen und fressen. Irgendwann wird es satt und zufrieden sein und eine Pause einlegen. Nach einer gewissen Anzahl an strukturreichen Fasern meldet sein Organismus, dass es nun reicht und sein Appetit ist gestillt. Freilich hängt das vom Pferdetyp ab. Der eine hat mehr Platz in seinem Darm als der andere… Und schon stecken wir mitten drin im Appetit-Dilemma!

Das Problem heutzutage ist, dass das hochkalorische Grundfutter dazu führt, dass das Horsi bei uneingeschränkter Futteraufnahme recht dick wird. Aber das weiß ja leider unser Pferdchen nicht. Es sieht ja die ganzen versteckten Marsriegel (Kohlenhydrate + Fette) in seinem Heuhaufen nicht. Seiner Genetik entsprechend geht es immer noch von Reiswaffeln aus.

Wir fassen an dieser Stelle zusammen:

Es liegt ein großer Unterschied zwischen Marsriegeln und Reiswaffeln. Wenn das Pferd seinem Fressverhalten nachkommen darf, damit es glücklich und zufrieden ist und sich satt fühlt (Appetitgrenze) sollte man wirklich genau darauf achten, aus was das Futter besteht. Denn frisst es den lieben langen Tag anstatt Reiswaffeln geile Schoki, ja dann bleibt nur mehr die Lösung über Bewegung.

Alles was rein geht muss auch wieder raus

Was passiert nun wenn nicht so viel „raus“ geht wie sein soll? Es wird den Überschuss an Energie in Fettreserven anlegen. Vielleicht für schlechte Zeiten, das mag sein, aber kommen die heutzutage noch vor? Das ist bei weitem nicht so niedlich gemeint wie es klingt. Tatsächlich hat Fett u.a. die Eigenschaft zu isolieren. Es kann also recht heiß unter der Schicht werden. Zudem handelt es sich dabei um entzündliche Prozesse und durch die vergrößerten Fettzellen wird es den Nährstoffen erschwert, an die richtigen Stellen zu gelangen und ihrem Job nachzugehen. Nämlich das Pferd mit allem zu versorgen, was es so organisch braucht. Freilich sind diese Zusammenhänge hier sehr salopp formuliert, aber ich bin ein großer Fan von bildhafter Sprache.

Wenn der Bus voll ist, ist er voll!

Zusammengefasst

dreht sich alles um die Frage der Raufutteraufnahme, den Bedürfnissen und Grenzen die uns das Pferd steckt.

Etwas weiter unten findest du nähere Informationen zur Umsetzung. Jetzt aber stelle ich dir meine 4 persönlichen Favoriten vor.

Typ 1

DER VIELFRASS 

Der Vielfraß zählt zu den gängigsten Modellen und ist weit verbreitet. Er liebt es seinen Kopf in ein duftendes Meer aus Heu zu stecken und möchte dabei auch nicht gestört werden. Fettpölsterchen trägt er mit stolz, Kalorien zählen ist nicht seins.

Seine Lebensdevise lautet: „Chill mal und stör mich nicht“

Typ 2

DER GLOTZI

Der Glotzi ist der klassische Beobachter und ihm entgeht nichts. Die Nahrungsaufnahme wird unterbrochen, sobald sich etwas tut. Seine Fettpölsterchen schwanken mit seinem Umfeld. Desto mehr Action, umso schlanker sein Body und hitziger sein Gemüt.

Er lebt nach dem Motto „was du heute nicht siehst, kann dir morgen das Leben kosten“.

Typ 3

DER SCHLACKSI

Der Schlacksi ist von der arg schmalen Sorte und zählt oft zum Adel. Sein Fressverhalten ist etwas sonderbar. Verwöhnt wie der Adel scheint, unterbricht er häufig sein Mahl, um etwas später im Glauben zurück zu kehren, dass seine Tafel immer voll ist. Um Fettpölsterchen braucht er sich eher selten Sorgen machen und wenn, bringt ein knackiger Sprint alles wieder ins Lot.

Sein Lebensmotto lautet: „Ich bin der King und fresse wann ich will“.

Typ 4

DER SONDI

Der Sondi ist quasi das Sondermodell unter den Boliden. Er ist entweder im Wachstum oder schon richtig alt und grau unter seinem Schopf. Für ihn gilt so viel Fressen wie nötig und möglich. Mit seinem Babyface, ob mit Bart oder ohne, genießt er immer einen Sonderstatus und möchte dementsprechend versorgt werden.

Sein Lebensmotto lautet: „Ich bin besonders und fresse was ich will“.

Die Appetitgrenze bei Pferden

Was bedeutet das Wort Appetitgrenze?

Im Grund dreht es sich ganz simpel um die tägliche Raufutter Aufnahme. Studien beschäftigen sich schon länger mit dem Fressverhalten von Pferden. Es dreht sich dabei um die zentrale Frage, ab wann sich das Sättigungsgefühl einstellt. Die Anzahl der Kauschläge soll eine Rolle spielen und der Darm. Beim Darm geht man davon aus, dass die Füllung ausschlaggebend ist. Freilich ist das ganze etwas komplexer als hier in kurzen Sätzen beschrieben, aber in etwa so sollte das ablaufen.

Jedes Pferd wird seinem Typ entsprechend ein unterschiedliches Bedürfnis haben, wonach sich sein Sättigungsgefühl einstellt. Bedenkt man alleine schon die unterschiedlichen Proportionen und Rassen so erkennt man, wie interessant dieses Thema im Stallalltag eines Pferdes werden kann. Auch die Fresspausen sind von Pferd zu Pferd unterschiedlich und hängen von unterschiedlichen Faktoren ab.

Woher weiß ich nun, wieviel Kilogramm Raufutter (Heu, Stroh Gehölze) mein Pferd täglich fressen möchte und auch braucht, um zufrieden durch seinen Tag zu kommen?

Genau hier kommt die Appetitgrenze ins Spiel, mit derer sich relativ einfach feststellen lässt, wieviel mein Pferd so am Tag fressen möchte.

Und so gehts

Du bietest deinem Pferd in einem abgegrenzten Bereich (ohne Kumpels) für 24 Stunden Heu ad libitum an. Die Menge muss abgewogen sein. Die Restmenge die übrig bleibt, wird von der Gesamtsumme abgezogen. Daraus ergibt sich die Summe an Heu, die dein Pferd fressen möchte, damit sich sein natürliches Sättigungsgefühl einstellt. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass ich hier von einem gesunden Pferd mit einem normalen Fressverhalten ausgehe. Kranke Pferde, die zB an EMS leiden, können durchaus ein gestörtes Fressverhalten aufweisen und durch hormonelle Störungen scheint sich das natürliche Sättigungsgefühl nur bedingt einzustellen. Für den Fall, dass eine Abtrennung über 24 Stunden nicht möglich ist, kann dein Pferd auch 12 Stunden alleine stehen und die Menge wird auf 24 Stunden umgelegt.

Jetzt kommts

An dieser Stelle wird es spannend! Welchen Fresstyp hast du nun vor dir stehen? Ein Vielfraß, der dazu noch einen satten Rippenbogen und wirklich viel Platz für Raufutter hat, der kann schon eine berauschende Menge an Heu vertilgen.

Im Gegensatz dazu wird die Fütterung bei einem Schlacksi oft unterschätzt. Nachdem dieser Typ gerne wandert, kommt man relativ schnell in die Versuchung, auch wenig zu füttern, obwohl er eigentlich weit mehr bräuchte. Und so kann ich mir bei jedem der Typen, sei es der Vielfraß, Schlacksi, Sondi oder Glotzi die Fragen stellen, ob die Aufnahme sich mit dem Bedarf deckt und was die Quintessenz daraus ist.

Worauf kommts jetzt an

Im Grunde ist es ganz einfach. Wenn ich weiß, wieviel mein Horsi fressen mag und ich weiß wieviel Dampf = Energie = Kohlenhydrate in meinem Heu steckt, dann weiß ich aus mathematischer Sicht wo mein Überschuss oder gar mein Minus liegt.

An dieser Stelle folgt der Tipp: Macht eine Heuanalyse, weil dann wirds noch konkreter. Marsriegel oder Reiswaffeln, je nachdem brauchst du zusätzliches Kraftfutter, darfst auf einen 100 km Distanzritt trainieren oder genießt einfach dein zufriedenes Pferdchen.

Ein kleines Beispiel zur Verdeutlichung

Pummel Horsi möchte 15 kg Heu am Tag fressen

in einem Kilogramm Heu stecken 7 MJ Energie ( Kartoffeln, Nudeln und ca 20 Marsriegeln)

15 kg Heu x 7 MJ = 105 MJ Energie pro Tag

Der Bedarf vom Pummel Horsi liegt bei 60 MJ pro Tag.

Das würde eine satte Überversorgung von 45 MJ bedeuten.

Wäre das der Fall, solltest du dringend den 100 km Distanzritt planen und damit starten. Andernfalls wird es ziemlich dick und krank werden.

>Wichtiger Hinweis<

An dieser Stelle unbedingt der Hinweis, dass wir hier immer noch ausschließlich über Raufutter, Sättigung und Glücklichsein sprechen. Ob dein Horsi ausreichend mit Eiweiß und Mineralien versorgt ist, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Dazu brauchts eine Rationsberechnung, an Hand derer man die einzelnen Bedarfswerte aufbröselt und alle Futtermittel dem gegenüber stellt. Nennt man auch ganz klassisch Bilanzierung. Geht auch beim Tier, nicht nur beim Wirt ;-).

Die perfekte Ration

Gibt es die perfekte Ration? Ich würde sagen, was ist schon perfekt im Leben und Perfektion macht auch gar keinen Spaß und erzeugt Stress. Tatsächlich liegt die Kunst in der Fütterung deines Pferdes darin, der Perfektion recht nahe zu kommen und trotzdem die Kirche im Dorf zu lassen.

Transparenz an Hand von Zahlen sind hier sehr hilfreich, aber natürlich auch ein gutes Augenmaß und recht viel Erfahrung. Dazu bin ich ein großer Fan von Wissen. Wenn ich weiß worauf es ankommt, wirds halt etwas leichter!

Fazit

Viele Probleme wie Verhaltensauffälligkeiten, Übersprungshandlungen, Aggressivität und heutiger Wohlstandskrankheiten lassen sich im Keim ersticken, wenn man auf die Bedürfnisse seines Pferdes eingeht und transparent damit umgeht und sich vor Augen hält.

Motto

So viel Fressen wie es will, darf nur so viel bekommen wie sein Körper verträgt und den Rest muss es ausreichend laufen, damit es lange gesund und glücklich an deiner Seite bleibt!

In diesem Sinne – auf dein Happy Horsi!

Sylvia Moser

Unabh. Futterberatung & Management